UND GANZ AM SCHLUSS: |
Wie soll das aussehen, mein Junge/mein Mädel? |
Im Grossen und Ganzen bereue ich mein Leben. Ich muss sagen, ich habe das Wichtigste verpasst, ich habe nicht mein Bestes gegeben und in den entscheidenden Momenten hab' ich versagt. Ich habe nicht das getan, was ich eigentlich hätte tun wollen. Ich habe nicht mein Leben gelebt, sondern das der andern. Es hätte alles viel besser sein können, wenn ich's nur anders angepackt hätte. Die meisten Chancen habe ich ungenutzt vorbeiziehen lassen. Meistens habe ich gehadert, gezögert, genörgelt. Ich habe mich immer mit den falschen Menschen umgeben. Geliebt hat mich auch niemand richtig. Und ich habe niemanden anderen geliebt, ich konnte es nicht, vor allem auch mich selbst nicht. Eigentlich ist alles schiefgelaufen...
Meine Güte, welche Horrorvorstellung... Und der liebe Gott würde mit mir schimpfen, wenn ich oben ankomme, und sagen: "Junge, was hab ich Dir nicht alles in die Wiege gelegt! Und was hast Du daraus gemacht? Nichts, Du Depp..., ab ins Feuer mit Dir."
Toll und unüberbietbar wäre, wenn ich sagen könnte:
Eigentlich, mein Junge, war das eine tolle Sache mit diesem Leben. Die meisten Dinge haben sich erfüllt, in den grossen Zügen war's eine echt gelungene Zeit, ich habe vieles versucht, das Meiste hat geklappt, vieles ist gescheitert, hat mich aber weitergebracht. Es war eine Riesenshow, ich danke dem lieben Gott und wem auch immer und jetzt ist's Zeit zu gehen. Ich habe nicht mehr viel verloren hier. Was jetzt kommt, ist höchstens 'ne schlechte Wiederholung. Mal schauen, ob und was da noch kommt. Tschüss.
Und der liebe Gott würde mir die Hand auf die Schultern legen und sagen: "Junge, ganz gut gemacht! So ähnlich hab ich mir das mit Dir vorgestellt. Kongrätjuleischens." (Das sagt er soo, weil er ist auch ziemlich cool geworden in letzter Zeit und findet den Woytila so doof, dass er ihn nicht holen will...) Geschimpft hast Du auf die Welt, meine Güte. Wo Du warst, da war die Hölle: Ärger, Depression, Melancholie und Verdruss. Du warst niederschmetternd. Wer Dir begegnete, war seine gute Laune los. Hoffnungslosigkeit und Trauer finsterten um Dich herum. Und immer waren die andern schuld, das Kapital, die Zentralbank oder die da oben oder die Neger oder die Jugos. Die meiste Zeit Deines Lebens hast Du stumpfsinnig vor der Glotze verbracht oder erzählt, wieso und in welchem präzisen Ausmass die Welt und die Menschen schlecht sind. Die schönen Dinge im Leben hast Du verachtet, das Lachen hast Du mit 40 verlernt. Da bist Du zum ersten Mal gestorben, Du Wicht. Lernen war nach 18 nicht mehr drin. Du hast ja schon alles gewusst, Du Obergescheiter! Schön, hast Du einem anderen Platz gemacht. Denn Du hast das Wesentliche nicht kapiert. Tschau Fredy! Niemand trauert wirklich um Dich. Wir tun nur so, weil sich's so gehört. Wir werden uns nicht allzulang an Dich erinnern, nicht wirklich. Nur Mitleid bleibt zurück. Schön, dass Du endlich gehen konntest. Es war ein mieses Leben, dabei hättest Du alles in der Hand gehabt... Tschüss. Wo Du warst, da war das Paradies !!! Wirklich! Wir haben Dich so geliebt. Und wir trauern aufrichtig um Dich, obwohl Du das nicht gewollt hättest. Du hättest eh nur darüber gelächelt, uns verständnislos angeschaut und gesagt: Hey, Jungs und Mädels, war doch eine schöne Zeit, was heult ihr denn jetzt. Take it easy. Wird schon wieder! (... to be completed)
Wie soll das bei Dir aussehen? Was willst Du einmal sagen von Deinem Leben? Was sollen die anderen sagen über Dich? Was soll in Deiner Grabrede und in Deiner Todesanzeige stehen?
Übung 1
Machen wir ein kleines, lustiges, todernstes Spielchen. Schreiben wir doch 'mal so eine Todesanzeige, und zwar erst mal eine für Situation 1, in der alles steht, wenn's schlecht weiterginge mit Dir, also z.B. so:
FREDY MEIER
Während Du das ernsthaft gemacht hast, wie hast Du Dich gefühlt dabei? Eher gut, eher schlecht? Ich selbst habe mich damals wind und weh gefühlt und bin vor Selbstmitleid fast zergangen, ein Würgen hatte ich im Hals und eine Art vorausgenommener Verzweiflung über all das ungelebte Leben. Es war furchtbar.
Übung 2
Und jetzt schreibe noch eine Anzeige, und zwar erhobenen Hauptes in der Annahme, dass das Leben eben diese Riesenshow war, dass Du alles erreicht hast, was Du wolltest und jetzt zufrieden abtreten kannst. Denk dabei an Deine höchsten Ziele und tu' halt so, als hättest Du alles in der Tasche. Und achte beim Schreiben auf die Wirkung in Deinem Gemüt. Es werden wunderbare Dinge vor sich gehen:
FREDY MEIER
Und? Wie war's jetzt? Besser, nicht? Viel besser. Kraftstrotzend vor Stolz über Dich selbst hast Du einen Nekrolog geschrieben, der der Welt verkündet, wie schön sie ist und wieviel Potential sie hat.
So geht das.
Haben Sie aber auch den Miesepeter in Ihnen gehört. Sicher hat irgendjemand im Hintergrund rumgequäkt und reklamiert:
So einfach geht's ja wohl nicht, Junge. Der redet ein Zeugs, weil er noch nix erlebt hat. Wenn der mein Leben hätte, würde es anders aussehen mit ihm. Ich habe eben nicht soviel Schwein gehabt, ich habe eben nicht soviele Glückshormone in mir, sondern leide an Depressionen, ich bin eben hässlich und niemand hat mich gerne, ich stehe eben nicht oben in der Sonne, alle sind böse mit mir, und ich bin so traurig, weil ich recht habe und weil alles so veschissen ist... Es ist alles viel schlimmer und ernsthafter. Nicht so tralala. Der Junge da nimmt das Leben nicht ernst ...
Eben gerade doch, lieber Miesepeter. Ich nehme es eben verdammt ernst!!! Das ist ja das Schöne daran.
Und was lernen wir daraus?
Du wirst wohl beim Schreiben gemerkt haben, wie das Nachdenken über das Leben vom Tod aus gesehen alles relativiert, klein und recht unbedeutend macht. Du bekommst einen scharfen Blick für die wichtigen Dinge Deines Lebens und erkennst, was an Unwichtigem zu viel Raum einnimmt. Und es deckt all die schlechten Gewohnheiten und verknorzten Strukturen auf, in denen Du vielleicht bis zur Bewegungslosigkeit verstrickt bist.
Das Denken vom Tod aus zeigt,
Hänge Dir Deine gute Todesanzeige über's Bett und freu' Dich drauf auf den Rest des Lebens, der just in diesem schönen Moment beginnt.
Übung 3
Wenn Dir das mit den Todesanzeigen zu makaber ist, schreib' einen Tagebucheintrag Deines 65. Geburtstags, oder Deines 100.
Etwa so:
Heute habe ich Geburtstag, den 65. Ab heute krieg' ich AHV / Rente / Pension und meine Lebensversicherung. Ich habe gestern meinen Letzten gehabt in der Firma. Meine Kids waren schon da, haben mir 'ne Torte gebracht. Sie sind immer noch jung. Gerade mal 40. Heut' abend gibt's wohl 'ne "Spontan"-Party. Ich kenn' sie ja...
Meine liebe Frau war zuckersüss mit mir. Sex ist immer noch 'ne tolle Sache und ich bin der glücklichste Mensch, denn ich habe ein wundervolles Leben hinter mir und ein noch Schöneres vor mir.
Was ich alles hatte:....
Was ich noch alles machen werde:...
Und negativ vielleicht so:
Es gab Zeiten, da war ich ein richtiger Miesepeter, so bis <Dein Alter>. Ich war...
Aber dann hat sich zum Glück alles geändert, als ich diese Website durchgearbeitet habe...(hehehe).
Hänge Dir auch Deine gute Geburtstags-Besinnung übers Bett und freu Dich drauf auf den Rest des Lebens, der wiederum just in diesem schönen Moment beginnt.
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