UND GANZ AM SCHLUSS:
Wie soll das aussehen, mein Junge/mein Mädel?



Jetzt wird's definitiv so persönlich, dass ich gerne auf Du umstellen würde. Einverstanden? OK?

Hast Du Dir schon 'mal überlegt, dass in kaum hundert Jahren kein Mensch mehr irgendetwas von uns weiss? Kaum einer, der dann lebt, ist heute schon geboren. Die Allermeisten, die heute leben, sind dann tot. Du und ich inklusive. Tot, nicht mehr da, Ende, Schluss. Wenn Du diesen Text liest, gehörst Du sicherlich nicht zu denen, die im Jahr 2100 noch leben. Für mich wird 2050 schon schwierig. Statistisch gesehen, erlebe ich das Jahr 2040 nicht mehr. (Rate mal, wie alt ich bin ?)

Wir rennen hier auf der Erde herum und regen uns weiss Gott über was alles auf, haben Angst und machen uns Sorgen und wissen oft nicht, woaus woein. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sind orientierungslos und haben die Sinnkrise. Oder wir stürzen uns wie besessen in eine Aufgabe, vergessen uns selbst darüber und wachen erst zehn Jahre später wieder auf.

Und irgend urplötzlich macht's päng und das Lämpchen wird ausgeschaltet. Wir wissen nicht wann. Vor nicht allzu langer Zeit sind zigausend Menschen in Mittel- und Südamerika gestorben, wegen eines Sturms. Noch eine Stunde zuvor haben sie ich weiss nicht über was nachgedacht, haben vielleicht gestritten, haben das Leben nicht genossen, waren zu schüchtern für x und hatten Angst vor y, waren mutlos oder auch nicht. Eine Stunde später schlagen zigtausend Herzen nicht mehr. Aus und vorbei. Eben gerade in Indien, in der Türkei oder sonst wo: Die Erde wackelt und Tschüss.


Gehen wir mal davon aus, dass die Meisten von uns am Ende etwas Zeit haben werden zum Sterben. Wie ist das wohl, wenn man da auf dem Sterbebett liegt? Stell' Dir das 'mal vor? Was würden Dir da wohl für Gedanken durch den Kopf gehen?

Eines der schlimmsten Szenarien für mich wäre, wenn ich mir sagen müsste:

Im Grossen und Ganzen bereue ich mein Leben. Ich muss sagen, ich habe das Wichtigste verpasst, ich habe nicht mein Bestes gegeben und in den entscheidenden Momenten hab' ich versagt. Ich habe nicht das getan, was ich eigentlich hätte tun wollen. Ich habe nicht mein Leben gelebt, sondern das der andern. Es hätte alles viel besser sein können, wenn ich's nur anders angepackt hätte. Die meisten Chancen habe ich ungenutzt vorbeiziehen lassen. Meistens habe ich gehadert, gezögert, genörgelt. Ich habe mich immer mit den falschen Menschen umgeben. Geliebt hat mich auch niemand richtig. Und ich habe niemanden anderen geliebt, ich konnte es nicht, vor allem auch mich selbst nicht. Eigentlich ist alles schiefgelaufen...

Meine Güte, welche Horrorvorstellung... Und der liebe Gott würde mit mir schimpfen, wenn ich oben ankomme, und sagen: "Junge, was hab ich Dir nicht alles in die Wiege gelegt! Und was hast Du daraus gemacht? Nichts, Du Depp..., ab ins Feuer mit Dir."


Toll und unüberbietbar wäre, wenn ich sagen könnte:

Eigentlich, mein Junge, war das eine tolle Sache mit diesem Leben. Die meisten Dinge haben sich erfüllt, in den grossen Zügen war's eine echt gelungene Zeit, ich habe vieles versucht, das Meiste hat geklappt, vieles ist gescheitert, hat mich aber weitergebracht. Es war eine Riesenshow, ich danke dem lieben Gott und wem auch immer und jetzt ist's Zeit zu gehen. Ich habe nicht mehr viel verloren hier. Was jetzt kommt, ist höchstens 'ne schlechte Wiederholung. Mal schauen, ob und was da noch kommt. Tschüss.

Und der liebe Gott würde mir die Hand auf die Schultern legen und sagen: "Junge, ganz gut gemacht! So ähnlich hab ich mir das mit Dir vorgestellt. Kongrätjuleischens." (Das sagt er soo, weil er ist auch ziemlich cool geworden in letzter Zeit und findet den Woytila so doof, dass er ihn nicht holen will...)

Wie soll das bei Dir aussehen? Was willst Du einmal sagen von Deinem Leben? Was sollen die anderen sagen über Dich? Was soll in Deiner Grabrede und in Deiner Todesanzeige stehen?



Übung 1



Machen wir ein kleines, lustiges, todernstes Spielchen. Schreiben wir doch 'mal so eine Todesanzeige, und zwar erst mal eine für Situation 1, in der alles steht, wenn's schlecht weiterginge mit Dir, also z.B. so:

Wir haben die schmerzliche Pflicht, Sie vom Hinschied unseres Opas, Vaters, Bruders, Schwagers etc. in Kenntnis zu setzen. Du, mein lieber
FREDY MEIER
und Pappenheimer hast Dich bemüht, aber nix hat geklappt in Deinem Leben. Du hast immer alles Schrott gefunden, viel gesoffen hast Du und Deine Kinder gingen Dir auf die Nerven. Deine Frau war immer die falsche und betrügen wolltest Du sie ohn' Unterlass. Aber keine andere liess Dich Miesepeter an sich ran. Da haste halt noch mehr gesoffen und geflucht.

Geschimpft hast Du auf die Welt, meine Güte. Wo Du warst, da war die Hölle: Ärger, Depression, Melancholie und Verdruss. Du warst niederschmetternd. Wer Dir begegnete, war seine gute Laune los. Hoffnungslosigkeit und Trauer finsterten um Dich herum. Und immer waren die andern schuld, das Kapital, die Zentralbank oder die da oben oder die Neger oder die Jugos. Die meiste Zeit Deines Lebens hast Du stumpfsinnig vor der Glotze verbracht oder erzählt, wieso und in welchem präzisen Ausmass die Welt und die Menschen schlecht sind. Die schönen Dinge im Leben hast Du verachtet, das Lachen hast Du mit 40 verlernt. Da bist Du zum ersten Mal gestorben, Du Wicht. Lernen war nach 18 nicht mehr drin. Du hast ja schon alles gewusst, Du Obergescheiter!

Schön, hast Du einem anderen Platz gemacht. Denn Du hast das Wesentliche nicht kapiert.

Tschau Fredy! Niemand trauert wirklich um Dich. Wir tun nur so, weil sich's so gehört. Wir werden uns nicht allzulang an Dich erinnern, nicht wirklich. Nur Mitleid bleibt zurück. Schön, dass Du endlich gehen konntest. Es war ein mieses Leben, dabei hättest Du alles in der Hand gehabt... Tschüss.



Während Du das ernsthaft gemacht hast, wie hast Du Dich gefühlt dabei? Eher gut, eher schlecht? Ich selbst habe mich damals wind und weh gefühlt und bin vor Selbstmitleid fast zergangen, ein Würgen hatte ich im Hals und eine Art vorausgenommener Verzweiflung über all das ungelebte Leben. Es war furchtbar.


Übung 2


Und jetzt schreibe noch eine Anzeige, und zwar erhobenen Hauptes in der Annahme, dass das Leben eben diese Riesenshow war, dass Du alles erreicht hast, was Du wolltest und jetzt zufrieden abtreten kannst. Denk dabei an Deine höchsten Ziele und tu' halt so, als hättest Du alles in der Tasche. Und achte beim Schreiben auf die Wirkung in Deinem Gemüt. Es werden wunderbare Dinge vor sich gehen:

Wir haben die schmerzliche Pflicht, Sie vom Hinschied unseres Opas, Vaters, Bruders, Schwagers etc. in Kenntnis zu setzen. Du, mein lieber
FREDY MEIER
 Du warst uns ein richtiges Vorbild in Sachen Leben, Lebensfreude, Lebenskraft, Mut, Optimismus und Liebe.

Wo Du warst, da war das Paradies !!!

Wirklich! Wir haben Dich so geliebt. Und wir trauern aufrichtig um Dich, obwohl Du das nicht gewollt hättest. Du hättest eh nur darüber gelächelt, uns verständnislos angeschaut und gesagt: Hey, Jungs und Mädels, war doch eine schöne Zeit, was heult ihr denn jetzt. Take it easy. Wird schon wieder!

(... to be completed)



Und? Wie war's jetzt? Besser, nicht? Viel besser. Kraftstrotzend vor Stolz über Dich selbst hast Du einen Nekrolog geschrieben, der der Welt verkündet, wie schön sie ist und wieviel Potential sie hat.

So geht das.

Haben Sie aber auch den Miesepeter in Ihnen gehört. Sicher hat irgendjemand im Hintergrund rumgequäkt und reklamiert:

Eben gerade doch, lieber Miesepeter. Ich nehme es eben verdammt ernst!!! Das ist ja das Schöne daran.



Und was lernen wir daraus?


Du wirst wohl beim Schreiben gemerkt haben, wie das Nachdenken über das Leben vom Tod aus gesehen alles relativiert, klein und recht unbedeutend macht. Du bekommst einen scharfen Blick für die wichtigen Dinge Deines Lebens und erkennst, was an Unwichtigem zu viel Raum einnimmt. Und es deckt all die schlechten Gewohnheiten und verknorzten Strukturen auf, in denen Du vielleicht bis zur Bewegungslosigkeit verstrickt bist.

Das Denken vom Tod aus zeigt,

Hänge Dir Deine gute Todesanzeige über's Bett und freu' Dich drauf auf den Rest des Lebens, der just in diesem schönen Moment beginnt.


Übung 3



Wenn Dir das mit den Todesanzeigen zu makaber ist, schreib' einen Tagebucheintrag Deines 65. Geburtstags, oder Deines 100.

Etwa so:

Heute habe ich Geburtstag, den 65. Ab heute krieg' ich AHV / Rente / Pension und meine Lebensversicherung. Ich habe gestern meinen Letzten gehabt in der Firma. Meine Kids waren schon da, haben mir 'ne Torte gebracht. Sie sind immer noch jung. Gerade mal 40. Heut' abend gibt's wohl 'ne "Spontan"-Party. Ich kenn' sie ja...

Meine liebe Frau war zuckersüss mit mir. Sex ist immer noch 'ne tolle Sache und ich bin der glücklichste Mensch, denn ich habe ein wundervolles Leben hinter mir und ein noch Schöneres vor mir.

Was ich alles hatte:....

Was ich noch alles machen werde:...

Und negativ vielleicht so:

Es gab Zeiten, da war ich ein richtiger Miesepeter, so bis <Dein Alter>. Ich war...

Aber dann hat sich zum Glück alles geändert, als ich diese Website durchgearbeitet habe...(hehehe).

Hänge Dir auch Deine gute Geburtstags-Besinnung übers Bett und freu Dich drauf auf den Rest des Lebens, der wiederum just in diesem schönen Moment beginnt.

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