WIE MAN IN DEN WALD HINEINRUFT... |
Kleiner Kurs in Sachen Fragetechnik |
- Sind Sie heute morgen aufgestanden?
- Heissen Sie Max Müller?
- Haben Sie am soundsovielten Geburtstag?
- Wie heisst Ihre Tochter?
Eine gefährliche Unterart sind
2. Suggestiv-Fragen
Dabei wird die Antwort schon in der Frage gegeben bzw. untergeschoben:
- Sie haben doch viel Erfahrung im Verkauf?
- Gellen Sie, Sie verstehen was vom Service von diesen Druckmaschinen?
- Wie ich im Lebenslauf gesehen habe, haben Sie zwei Jahre sehr gute Erfahrung als Klempner?
Man kann hier etwas mehr erzählen, aber eigentlich doch nur bestätigen, was der Frager hören wollte. Gefährlich v.a. auch für den Frager, weil er nicht erfährt, was Sie zu sagen haben, sondern lediglich das, was er selbst gerne hören will. Diese Frageform wütet unter Personalmenschen. Und deshalb machen sie auch Fehler!
3. Offene Fragen
Offene Fragen verlangen nach mehr. Sie öffnen den Antworter und er muss was erzählen. Sie fangen meistens an mit Warum, Wie, Weshalb und sind eine schlichte Aufforderung zu reden:
- Was haben Sie gestern den ganzen Tag gemacht?
- Was ist denn Ihre Tochter so für ein Kind?
- Warum haben Sie sich beworben?
- Erzählen Sie mal über Ihren beruflichen Werdegang?
Probieren Sie's mal aus: Löchern Sie jemanden mit zehn geschlossenen Fragen. Das Gespräch wird nie anlaufen und schnell total zusammenbrechen. Sie werden einander ziemlich doof finden und die Situation wird immer pein- und peinlicher. Und bevor der Andere davonrennt, stellen Sie auch nur ein bis zwei offene Fragen und es sprudelt nur so. That's it.
Und dann gibt noch eine inhaltliche Unterteilung von Fragen, die sehr aufschlussreich ist:
1. Fakten-Fragen
Das sind simple Fragen nach Fakten:
- Wann sind Sie geboren?
- Wie heissen Sie?
- Welche Schuhnummer haben Sie?
Auch Informationsfragen sind eher geschlossen, sobald die Info draussen ist, bricht die Rede ab.
2. Erzählfragen
Erzählfragen enthalten eine Aufforderung, dass Sie 'was erzählen sollen:
- Wie wars denn auf Ihrem Trekking in der Wüste Gobi?
Antworten Sie hier am besten: "Schön!" - Nein, im Ernst: Erzählfragen drücken eine Erwartung aus, dass Sie etwas sagen sollen. Also erzählen Sie was Schönes. Denn mit solchen Fragen wird auch getestet, ob Sie überhaupt 'was erzählen können.
3. Bewertungsfragen
Das sind Fragen nach Ihrer Meinung und ob Sie sowas wie eine eigene Meinung überhaupt haben:
- Was denken Sie über Stoiber und Schröder oder über Dreifuss und Leuenberger?
- Was halten Sie von den Videoclips auf Viva?
- Wie finden Sie die Idee des Sponsorings an Schweizer Schulen?
4. Einschätzungsfragen
Ähnlich gerichtete Fragen zielen eher auf die Zukunft und Ihre Einschätzung möglicher Entwicklungen auf der Welt ab:
- Wie wird sich das Internet auf die Gesellschaft auswirken?
- Wie wird die Schweiz in 20 Jahren aussehen?
- Was wird die Norderweiterung der Schweiz bis nach Kiel für Auswirkungen auf die Milchwirtschaft haben? oder so...
Ein möglichst überzeugtes "Keine Ahnung, hab' ich noch nicht überlegt, weiss ech nech" zeichnet Sie aus als klaren Kopf und gesellschaftskritischen Denker.
Im Ernst: Sagen Sie, was Sie denken. Vermeiden Sie Extrempositionen, ausser, Sie sind sich sicher, dass das gut ankommt. (Dann sollten Sie meiner Meinung nach immer noch überlegen, ob Extrempositionen an sich 'ne gute Sache sind...)
5. Handlungsfragen
Das sind die Was-würden-Sie-in-Situation-xy-tun-Fragen. Hier geht's um Ihre spontane Problemlöse-Fähigkeit. Antworten Sie möglichst nicht: "Hmm, das muss ich mir, äh, genauer überlegen, hmm, äh?" oder "Ja, ehm, das isch würkchlech es Problääm?" Bringen Sie Lösungen ein, möglichst präzise und klar strukturiert.
Hier beweisen Sie, ob Sie ein Schnell- oder Langsamdenker sind, ein Analytiker oder Chaot, ein Konservativer oder ein Progressiver, ein Lösungs- oder ein Problemmensch. Keine Angst auch vor unperfekten Antworten. Es geht nicht darum, die definitive Lösung zu präsentieren, sondern Ihre Fähigkeit zu beweisen, ein Problem anzugehen.
Hier zeigt sich auch, ob Sie ein Einzelkämpfer oder ein echter Teamplayer sind. Denn wenn Sie spontan MitarbeiterInnen in Ihre Pläne einbeziehen, Aufgaben delegieren etc., wird Ihre behauptete Teamfähigkeit sehr viel glaubwürdiger.
6. Provokations-Fragen
Kaum erklärungsbedürftig, oder?
- Für Frauen: Wann wollen Sie eigentlich schwanger werden?
- Oder für Farbige: Von welchem Stamm sind Sie eigentlich?
- Oder für Moslems: Wo ist denn eigentlich Mekka von hier aus gesehen? Haben Sie den Teppich selbstgeknüpft ?
Solche Fragen sind unschicklich, machen aber für Kaderkräfte durchaus Sinn. Wer hier zickig reagiert, qualifiziert sich als Ritter der Wittwen und Waisen, als Robin Hood, ständig in Kämpferposition gegen das Unrecht dieser Welt und voller Angst, gemein behandelt zu werden.
Geschickt kontern, cool bleiben, ja nicht ausrasten und als Querulant mit Verfolgungswahn reagieren. Denn wahrscheinlich wird nur auf zugegeben brutale Art getestet, ob Sie solchen Provokations-Situationen souverän gewachsen sind. Und wenn nicht, wäre das ohnehin die falsche Firma für Sie.
7. Keine-Ahnung-Fragen
Mit ähnlicher Absicht werden manchmal vor allem Managern auch Fragen gestellt, von denen Sie schlicht keine Ahnung haben können:
Dabei geht's darum, ob Sie auch Schwächen und Nichtwissen locker zugeben und damit umgehen können. Oder ob Sie kalte Hände und Schweissausbrüche bekommen, zu stottern anfangen, in die Tischkante beissen, um schliesslich irgendwelche Ausfluchts-Antworten zusammenzudichten.
Kein Grund zur Panik. Alles Absicht. Sagen Sie einfach: "Sorry, das weiss ich nicht. Aber ich könnte das soundso rauskriegen. Hat das Bedeutung für den Job?"
Kleiner philosophischer Ausflug zum Nichtwissen:
Das Wissen unserer Zeit explodiert exorbitant. Noch nie hat die Menschheit so viel gewusst. Alle zusammen wenigstens. Gleichzeitig hat jeder Einzelne von uns von alldem, was man heutzutage wissen könnte, je so wenig gewusst. Objektiv ist das Wissen enorm gewachsen, subjektiv wird's immer kleiner.
Das gibt uns manchmal das Gefühl, keine Ahnung zu haben. Und leider stimmt das je länger je mehr. Und würde man das ganze Leben lang nur die Schulbank drücken, wir wüssten immer noch verschwindend wenig, schon weil innert fünf Jahren immer die Hälfte schon nicht mehr stimmt.
Das gibt uns aber auch die Lockerheit, dass wir durchaus nicht alles zu wissen brauchen, weil das niemand nicht mal ansatzweise mehr kann. Ich denke, sogar der liebe Gott hat langsam Mühe.
Es macht uns Menschen auch gleicher, denn angesichts des Riesenwissens, das möglich wäre, ist jedes noch so clevere Menschenhirn immer noch ziemlich hohl. Nicht böse gemeint, aber beruhigend.
Bewertungs-, Einschätzung-, Handlungs- und Provokations-Fragen werden meistens nur Fach- und Kaderkräften gestellt, aber denen mit Sicherheit.
Damit Sie davon nicht hinterrücks überrascht werden, bereiten Sie sich vor! Überlegen Sie, welches die sogenannten kritischen Erfolgsfaktoren für die in Frage stehende Position sind. Und überlegen Sie sich vorher, wie Sie das allenfalls meistern würden. Wenn Ihnen jetzt schon nix einfällt, sind Sie der falsche Mensch für den Job.
Sodeli (zu deutsch: So),
Jetzt sind Sie theoretisch bereits Interview-SpezialistIn, denn viel mehr gibt's nicht zu machen in einem guten Gespräch: Richtig fragen und genau auf die Antworten und die Zwischentöne hören.
Was der Personalmensch übrigens mit Ihnen macht, das sollten Sie natürlich auch mit ihm machen: Ihn interviewen zu Unternehmen, Job, ChefInnen, Klima, Personalpolitik etc. Fragen gibt's genug. Formulieren Sie richtig, dann werden Sie alles erfahren...
Hilft übrigens auch sonst im Leben: Beim Telefonieren, beim Sprechen mit Kindern, LebenspartnerIn, MitarbeiterInnen, beim Therapieren, Flirten, am Stammtisch oder sonst wo.
© 2001 NAVIGAS AG - Die Personalberater für Informatik Finanz Management