OUTFIT
Womit wir sonst noch was alles signalisieren


Wenn wir das mit dem Sprechen und der Körpersprache, Haltung, Gestik, Mimik, Motorik usw. richtig gut drauf haben, bleibt immer noch das mit dem sonstigen Outfit: Frisur, Make-up, Schmuck, Kleider, Schuhe, Uhr, Handtasche, Koffer, Mappe, Accessoires. Sie geben Botschaften von sich mit Ihrer gesamten Erscheinung. Da gehört auch der Schuhbändel dazu, die kesse, grüne Haarsträhne, Ihr Mèche, die gefälschte Rolex, die selbstgemalte Seidenkravatte etc. etc.

Und da stellt sich die Frage: Wie um Himmels Willen soll ich daherkommen zu einem Vorstellungsgespräch?

Hier kommt sie also:
  1. die ultimative Farbberatung
  2. das integrale Ganzkörper-Design
  3. die persönliche Imageberatung
  4. die neusten Trendfrisuren
  5. und der trendigste Accessoires-Katalog....

... haben Sie sich so gedacht...

Das kommt natürlich nicht, das würde doch gar nicht zu unserem Stil passen. Nur ein paar Grundfragen will ich hier klären, der Rest ist sowas von vielfältig, situations-, personen- und positionsabhängig, dass niemand hier Detail-Rezepte geben kann, ohne schlicht unseriös zu sein.

Und wer denkt, mit einem blauen Hemd kriegt man mehr Stellen als mit einem grünen, der soll nochmal ganz von vorne anfangen mit dem Kurs.


Rollen ohne zu wollen



Jeder von uns gehört zu irgendeinem sozialen Umfeld und verschiedenen sozialen Gruppen, in denen gewisse Regeln gelten und ziemliche klare Rollen gespielt werden. Und wir Menschen neigen dazu, mehr oder meistens sehr viel weniger bewusst eine solche Rolle dann auch schön durchzuspielen.

Wir haben zwar subjektiv das Gefühl, völlig frei und individuell den eigenen Stil zu pflegen, aber das ist eine der grössten Illusionen, denen wir uns allenthalben hingeben. Wir alle stecken in irgendwelchen Uniformen, die zum Teil wirklich bloss noch lächerlich sind:

So ist es heute als (Geschäfts-)Mann ein tolles Abenteuer, einen neuen Anzug zu kaufen: Man kann wählen zwischen maus- und rattengrau, dunkel- und mitternachtsblau, hellschwarz oder pechschwarz. Und dann kommt vielleicht noch ein Verkäufer und macht auf Farbberatung. Mein Differenzierungsvermögen ist da meistens so arg strapaziert, dass ich schon nach fünf Minuten den Ort der finsteren Stoffe voller Grauen verlassen muss.

Ganz so schlimm ist ja heute nicht mehr, aber wenn man den Durchschnitt von Business-Leuten anschaut, sehen se alle gleich aus, nech?

Ich war kürzlich an einem Anlass der Architekturbranche. Es waren natürlich fast nur Architekten da. Und die waren alle schwarz: Schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Jeans, schwarze Jacke. Alles schwarz. Finstermänner. Toll.

So sind heute in der Schweiz all die individuellen Architekten. Abziehbilderchen - aber cool. Ich sah mit meinen doofen Kakihosen aus wie der berühmte rote Hund und disqualifizierte mich schon optisch als Outsider.

An einem eher noch künstler- oder grafikerlastigen Meeting hätten dann all die schwarzen Trendsetter noch ein Haar-Schwänzchen hinten. Das hat man als grosser Individualist.

Sorry, Ihr Architekten, aber Ihr seid ja nicht alleine:

Berater - sorry, heute heissen Sie ja Consultants - Berater etwa meinen, Nadelstreifen seien ein Zeichen von Kompetenz. Und weil sie möglichst kompetent scheinen und ihre Inkompetenz kaschieren wollen, tragen die meisten Berater sehr viele Nadelstreifen. Sie werden damit zwar nicht cleverer, aber es sieht wenigstens so aus. Nadelstreifen dienen damit als das Inkompetenz-Kompensations-Mittel schlechthin.

Im Lorenzini, einer In-Bar in Bern, treffen sich all die coolen Jungs, die sich irgendwie avantgardisitsch und megacool fühlen (dort kann man auch mich finden...). Es ist schon erstaunlich, wie viele davon eine schwarze Lederjacke tragen. Ich schätze, 80 %. Ganz erstaunlich avantgardistisch - enorm individuell und ganz enorm cooool.

Als ich jung war, wirklich jung, war es peinlich, schöne Klamotten zu tragen. Wir haben sogar neue so lange bearbeitet, bis sie sehr gebraucht aussahen. Alle haben das so gemacht und so sahen wir alle aus wie Clochards, leider eben alle. Aber in war das. So in wie heute Nike-Schuhe und Schlabberhosen und Eau-de-toilette von Hugo Boss.

Das heisst: Wir machen alle an irgend solchen Rollenspielen mit und signalisieren damit unsere Lebensart, unsere Wertehaltung, unsere soziale Zugehörigkeit, unser Selbstverständnis. Das ist uns meistens kaum recht bewusst, aber achten Sie selbst einmal, wie klar die Zeichen sind und wie deutlich Sie sie bei anderen verstehen.


Ein paar Beispiele aus der Stellensuch-Praxis


Kürzlich kam ein junger Informatiker zu mir, die Haare sehr wild und sehr lang, die Kleider bewusst sehr schäbig, Ohrringe, ich glaube fünf oder sechs. Sogar ein Parka. Hatte ich lange nicht mehr gesehen. Ein topcleverer Kerl.

Aber er zeigte mit jeder Strähne seiner ungepflegten Haare: Ich bin dagegen, ich find' die Welt nicht gut, wie sie ist, und ich passe mich keinesfalls an. Wer mich nicht nimmt, wie ich bin, ist ein Bünzli (zu deutsch: Spiesser) und verdient mich nicht.

Und sein Lebenslauf sah genau so aus trotz Uniabschluss: Ein Chaos! Niemand wollte ihn sich verdienen, diesen jungen Revolutionär, den Che Guevara Helvetiens. Toll, dachten alle, das ist genau, was ich noch brauche im Betrieb! Lieber ein Bünzli als die Revolution.

Ich hab ihm gesagt, was ich denke, was er falsch mache. Er hat mich daraufhin umgebracht.

Um ein Haar... Übrigens: Ich darf so reden, ich hab' selbst auch mal so ausgesehen...

Eine 50-jährige Frau war zehn Jahre lang Mobbing-Opfer. Sie sah aus wie ein ängstliches Hausmütterchen. Zehn Jahre Demütigung machen einen Menschen so fertig, dass er danach aussieht: Wenig gepflegt, schlechte Frisur, alte Klamotten und Accessoires, die diese Luxusbezeichnung nimmer verdienen. Alles nach dem Motto: Ich bin so schlecht, eine Niete, eine Null.

Diese Frau hatte dementsprechend Null Chancen auf dem Arbeitsmarkt, denn sie zeigte mit allem, was sie von sich selbst dachte: Seht mich an, ich bin ein Nichts, ein Wurm, zu klein für diese grosse Welt. Wer mich engagiert, holt sich das hier ins Haus.

Wir haben hart gearbeitet zusammen, es hat sich gelohnt. Sie hat einen tollen neuen Job und sieht vor allem ganz anders aus. Nicht mehr wiederzuerkennen.

Eine 38-jährige Frau bewarb sich bei uns als Personalberaterin. Meine Güte, ich bin fast umgefallen, so schööön war sie: Rotes, enges Kleid, alles voll Goldschmuck (wenn die das bei mir verdienen will, ohgottohgott, ich werd' arm werden...), hohe Glanzlackschuhe, toller pelzkragiger Flanell-Mantel (aus dem ich ihr rausgeholfen habe, nur um auch mal so ein Teil in der Hand zu halten)...

Sie war vom Feinsten. Ich aber nicht. Ich war gedemütigt ob solcher Pracht. Überkandidelt, die Kandidatin. Ich war deutlich unterkandidelt. Sie hat übers Ziel hinausgeschossen. Sie war schon in der Tür durchgefallen, und dabei hatte Sie sich solche Mühe gegeben. Das tat mir wirklich leid. Offenbar hatte sie sich vorher nicht auf unsrer Homepage über unsere Firma erkundigt, sonst wär' ihr der Stilbruch bewusst geworden.

Wir wurden uns nicht einig. Sie konnt's nicht fassen, zog indigniert von dannen und war sehr beleidigt.

Wir hatten schon Leute bei uns, die sahen aus wie Zuhälter, wie Kaiser, wie Carl Lagerfeld oder Jack the Ripper, wie Caroline oder Udo Lindenberg, wie Fatima oder Bokassa, wir haben alles schon gesehen. Und alle wollten eigentlich bloss einen Job. Und viele sind nur an ihrem Outfit gescheitert.


Und die Moral von der Geschicht'



Machen Sie sich überhaupt grundsätzlich mal bewusst, was Sie eigentlich so darstellen. Wo Sie schon optisch dazugehören, was andere wohl deshalb schon von Ihnen gesagt bekommen. Das ist eine spannende und sehr lernintensive Möglichkeit zur Selbsterkenntnis. Vielleicht werden Sie staunen und sagen: Um Himmelswillen, ich will doch gar nicht so aussehen wie ein Motorrad-Club-Mitglied oder ein Schwingerkönig oder ein Pfarrer oder ein Juppie oder ein Nichts oder ein Alles.

Und dann können Sie sich re-designen: Kaufen Sie ein paar neue Kleider, von denen Sie finden, dass sie Ihnen wirklich stehen, am besten mit einer guten geschmacksicheren Kollegin. Machen Sie was Neues aus sich. Sie werden mit neuem, anderem Selbstbewusstsein durch die Welt marschieren. (So wirken eben leider auch Nadelstreifen und Händis).


Das ganz pragmatische Patentrezept

Gehen Sie immer eher ein bisschen zu gut als ein bisschen zu schlecht gestylt ins Vorstellungsgespräch.

Wer etwas zu gut daherkommt, signalisiert , wie wichtig der Anlass und der Gesprächspartner für ihn ist, und das kann doch nur positiv ankommen.

Wer zu schlecht gestylt kommt, signalisiert das Gegenteil: Mir ist das Ereignis eher wurscht, was der Gesprächspartner von mit hält, eigentlich auch. Er soll mich gefälligst nehmen, wie ich bin. Das kommt deutlich weniger gut an und wirkt als verheerender Filter.

Gehen Sie möglichst in etwa standesgemäss. Sie wissen ja, wie ein Schreiner etwa daherkommt oder ein Devisenhändler oder eine Bankfachfrau. Sie wissen doch einfach, was sich gehört!

Verzichten Sie auf Überkandideltheit und Extravaganzen. Das ist nichts fürs Vorstellungsgespräch. Das ist nun wirklich nicht der Ort, wo Sie Ihren Individualismus beweisen sollten und Ihr edles Selbst der gemeinen Horde vorzuführen brauchen.

Es geht nicht um Gleichmacherei oder Anpasserei, es geht darum, wieviel Risiko Sie eingehen wollen, um aufzufallen und ob das Vorstellungsgespräch der geeignete Ort dafür ist.

Ich denke ganz klar: NEIN!

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