DEVISE: KNAPP, INFORMATIV, SEHR SYMPATHISCH |
Wie Sie den ersten positiven Eindruck machen können |
Sehr geehrter Herr Recrutti:
Mit grossem Interesse habe ich Ihr Inserat im Lützelflüh-Boten vom Samstag gelesen, in dem Sie einen Verkäufer suchen. Diese Aufgabe interessiert mich sehr und ich bewerbe mich hiermit um diese Stelle. Sie finden in der Beilage meinen Lebenslauf. Gerne würde ich mich bei Ihnen vorstellen und erwarte Ihren Anruf...
Na, wie fühlen Sie sich, wenn Sie das lesen? Ehrlich! Ich kann es Ihnen sagen: Nichts passiert. Jedenfalls nichts Grossartiges. Es wird Ihnen eher sterbenslangweilig. Sie entwickeln schon bei diesem ersten Satz eines Bewerbungsschreibens innere Barrieren, und die Motivation weiterzulesen, sinkt auf Null. Aus dem einfachen Grund, weil so 97 von 100 Bewerbungsschreiben formuliert sind. Und wenn man davon ein paar tausend gelesen hat, dann wird es einem schlicht elend um's Herz: Schon wieder so ein langweiliger Mensch, der aus einem schlechten Bewerbungsbuch so einen Larifari-Brief abgeschrieben hat.
Und wenn mir einer in drei Zeilen etwas sagt, was ich ohnehin schon weiss, dann ist das reine Zeitverschwendung - und meine Zeit ist sehr kostbar, denn es geht um mein Lebenszeit. Ich als Personalmensch weiss nämlich sehr gut, dass ich inseriert habe, und dass Norbi Normal sich bewerben und sich vorstellen will, das weiss ich auch, wozu im Gottes willen hätte er mir sonst seine Unterlagen geschickt. Warum erzählt er mir das alles?
Wenn Sie diesen Grundeindruck eines langweiligen, konformen, unorginellen und desinteressierten Menschen geben wollen, dann schreiben Sie ruhig so wie Norbi Normal. Zwischen 100 Bewerbungdossiers werden Sie damit jedoch keinen Blumentopf gewinnen und in der Masse der grauen Mäuse untergehen.
Schade um die verpasste Riesenchance, den Personalmenschen für sich einzunehmen, eine gute Stimmung, Spannung und Neugierde zu erwecken und ihm schon ein paar saftige Häppchen substantieller Infos zu liefern.
Fazit: Ich als Personalchef bin schon jetzt leise auf einen eher langweiligen Menschen eingestimmt, der wenig Fantasie und Pepp hat, und wohl kaum der zukünftige Verkäufer meiner Produkte werden dürfte. Auch wenn ich das nicht bewusst denke, die Stimmung ist bereits da - erzeugt von Norbert Normal und seinem ersten, so normalen Satz. Alles, was folgt, werde ich jetzt überprüfen im Hinblick auf diesen ersten Eindruck. Und ich werde mit Sicherheit Anhaltspunkte finden, die diesen Eindruck bestätigen und verstärken. Schade um die vergebene Chance!
Beipiel 2: Francesco Pessimisto schreibt:
Sehr geehrter Herr Recrutti
Ich bin leider kein sehr erfahrener Verkäufer, brauche aber dringend Arbeit, denn ich bin seit 6 Monaten arbeitslos. Ich war im Kaufhaus Niederer als Rayonleiter, aber die Rezession hat uns arg zugesetzt und ich musste gehen. Seither suche ich vergeblich Arbeit und hoffe, bei Ihnen eine solche zu finden.
Na, was meinen Sie dazu? Spüren Sie, wie es Ihnen das Herz zusammenkrampft und Sie intuitiv bereits den Papierkorb unter dem Tisch hervorziehen? Ich will doch einen Verkäufer, der meine Produkte verkauft und da kommt Herr Pessimisto daher und will meine Hilfe. Ich brauche selber Unterstützung, ich brauche einen Super-Verkäufer, der mir und meinem Laden über die Rezession hinweghilft und keinen rezessionsgeschädigten armen Teufel, der mir noch mehr Probleme macht als ich ohnehin schon habe! Den kann ich beim besten Willen nicht auf meine Kunden loslassen... usw. usw. Das denkt bzw. fühlt der Personalmensch und schon ist das Rennen gelaufen. Schade um's Geld und die Arbeit! Für beide!
Und vor allem: Schade für die unnötige Enttäuschung über die Absage, die Herr Pessimisto erhält - und die erhält er so sicher, wie das Amen in der Kirche. Seien Sie mir nicht böse wegen der "knallharten" Sprache, mit der ich hier spreche. Arbeitslosigkeit ist kein Witz, sondern sehr problematisch, das weiss ich bestens. Aber es nützt Ihnen nichts, verzärtelt zu werden: Sie dürfen nicht so schreiben, wie Pessimisto, auch wenn's Ihnen noch so schlecht geht. Es nützt Ihnen nichts.
Fazit: Beachten Sie die Stimmung, die Sie erzeugen. Und denken Sie an folgendes: Einziges Ziel des Personal-Menschen ist die optimale Besetzung seiner Stelle. Dass Sie eine echte Option sind, davon müssen Sie ihn überzeugen. Keine Stelle wird aus Mitleid, Nächstenliebe, Trauer oder sonst was besetzt. Das ist zwar nicht gerade schön und paradiesisch, aber es ist so. Und wir haben's ja auch in der Hand, etwas dafür zu tun!
Wenn Sie das nächste Beispiel lesen, wird es Sie vielleicht umhauen, sie werden's vielleicht überrissen finden. Aber lesen Sie's mit den Augen eines Personal-Menschen oder Geschäftsinhabers, der eine Verkäuferin sucht:
Beipiel 3: Francisca Fortuna schreibt:
Sehr geehrter Herr Recrutti:
Sie haben ein wunderbares Geschäft, die Dekoration fällt jedem auf, der Sinn hat für das Schöne. Kompliment! Ich wäre deshalb sehr stolz darauf, in Ihr Team aufgenommen zu werden. Ich werde mein Bestes geben. In meiner bisher kurzen, aber höchst intensiven Berufslaufbahn habe ich vieles gelernt, was es für die erfolgreiche Kundenberatung braucht. Die vergangenen sechs Monate habe ich genutzt, um meinem neuen Arbeitgeber auch ein paar anerkannte Diplome vorweisen zu können.
Diese wirklich überraschenden Verkaufstrainings waren eine echte Bereicherung. Aber darüber werde ich Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch im Detail berichten. Erste wichtige Informationen finden Sie im Lebenslauf.
Was kommt da für eine Verkäuferin daher? Die Sonne geht auf! Spüren Sie es? Da lobt mich jemand für mein Geschäft und die Dekoration und für meinen guten Geschmack und wäre sogar noch stolz, für mich zu arbeiten. Ich weiss im Kopf zwar genau, dass sie mich nur einlullen will, aber mein Herz freut sich trotzdem. Und da ist jemand begeistert und will sein Bestes geben, hat Initiative und lernt was etc. etc. Und was sind das für Diplome? Diese Unterlagen muss ich genau studieren. Diese Frau muss ich sehen.
Und so geht er hin, der Personalmensch, und liest voller Neugierde und mit stolzgeschwellter Brust weiter, obwohl er gar nicht mehr müsste, denn sein Herz hat bereits JAJAJA gesagt und seine Hand liegt schon auf dem Telefonhörer.
Vielleicht ein bisschen übertrieben hat sie schon, die Frau Fortuna - zugegeben -, aber mit Power kommt sie daher, diese Frau, orginell ist sie, Mühe gegeben hat sie sich auch, und ich muss sie als Personalmensch, ob ich will oder nicht, zumindest einbeziehen in die engste Wahl. Und damit hat sie ihr Ziel erreicht, die gute Francisca.
Vielleicht ein bisschen laut, die Werbebotschaft, aber hier sicher unterhalb der Schmerzschwelle!
Fazit: Schreiben Sie ein bisschen für's Herz und ein bisschen für den Verstand. Schreiben Sie für den Personalmenschen, aus seiner Perspektive. Schreiben Sie, was für ihn wichtig ist. Seien Sie ein bisschen mutig und orginell. Verstecken Sie sich nicht hinter irgendwelchen Konventionen:
Hinter Konventionen sind Sie nicht erkennbar.
Die Personal-Menschen werden's Ihnen mit Wohlwollen danken. Sie müssen ja nicht gerade so zuschlagen wie Francisca, aber in dieser Richtung liegt die Lösung. 100-prozentig. Ich garantier's Ihnen.
Kleiner philosophischer Ausflug
Dieses Rezept gilt übrigens nicht nur für Bewerbungsschreiben, es gilt für alles, was Sie sagen, denken und fühlen. Trainieren Sie, alles was Sie denken und sagen, in schönen Worten zu sagen. Üben Sie, in allem weniger Gutem auch das Gute zu sehen und es zu sagen und zu denken. Reden Sie auch mit sich selbst nicht wie mit einem Halunken, wie das viele Menschen tun, sondern auf die nette, liebe, ehrliche, verständnisvolle und lebendige Art. Sie werden ein glücklicherer Mensch sein. Versprochen!
Wenn Sie noch mehr Interesse an dieser Frage haben: Im Kapitel Perspektiven präsentieren wir Ihnen ein paar Techniken, mit denen Sie es nicht mehr aushalten vor lauter guter Laune und Erfolg. Das Leben kann unerträglich Spass machen. Passen Sie also auf.
Und jetzt geht's um den Lebenslauf, das was Sie über Ihren beruflichen Werdegang und sich selbst schreiben.
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