Kennen Sie das?
Seit Stunden schon kreisen Sie um dieses kleine Gerät mit den zwölf Tasten, Sie haben schon x-mal Anlauf genommen und immer wieder ist Ihnen etwas Wichtiges eingefallen, was Sie noch tun müssen, noch 'n Kaffee trinken, noch ne Wäsche machen, den Hamster füttern, Vreni anrufen, im Kühlschrank nach Du darfst suchen. Dabei wissen Sie genau: Du darfst überhaupt nichts, du musst nur eines, nämlich den bösen Recrutti von der Firma Diewollenmichehnicht anrufen. Und je länger Sie rumkreiseln, umso böser scheint Recrutti und um so sicherer sind Sie, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, anzurufen, weil ja sonnenklar ist, dass der Sie eh nicht will. Ihr Hirn arbeitet fieberhaft an einer Es-ist-besser-ich-lass-es-Theorie. Immer mehr Gründe sprechen immer dagegener und schliesslich lassen Sie's wirklich.
So vergeht Ihr Tag und Sie gehen ins Bett als geschlagener Ritter voller Furcht und Tadel, gedemütigt und sich selbst verachtend. Denn Sie wissen genau: Ich hätte es tun müssen, aber ich habe mich einfach nicht getraut. Hier das Rezept, wie's trotzdem geht:
Nehmen Sie den Telefonhörer in die Hand
und rufen Sie an!
So, und nur so geht es! Echt, probieren Sie's aus! Es funktioniert. Was soll ich denn sagen, ich habe so ne schreckliche Stimme, ich krieg' n Blackout, ich fang' an zu Stottern, Telefonieren is' nich' mein Ding etc. Damit Sie ob solcher Selbstzweifel und Ängste nicht verzwazzeln, hier die wichtigsten Tipps, wie sogar Sie diesen Horror heil überstehen und sogar Ihre Erfolgschancen steigern können:
Nr. 1: Vorbereiten ist alles
Mit einem Telefongespräch, vor allem dem ersten, können Sie einen primacy effect vom Feinsten landen oder alles kaputt machen. Also: Bereiten Sie das so sorgfältig vor wie das Vorstellungsgespräch selbst. Denn es beginnt oft schon am Telefon ein Klein-Interview, bei dem nicht nur Tante Trude ins Trudeln geraten könnte. Lesen Sie etwa das Inserat oder Ihre Fragen noch einmal genau durch und bereiten Sie sich auf Folgendes vor:
- Was wollen Sie genau wissen? Welche Ihrer Fragen sind wirklich wichtig? Nur die stellen Sie.
- Welche Verstärker über sich wollen Sie schon mal platzieren, d.h. mit welchen paar Stichworten können Sie bestechend wirken?
- Welche Rückfragen könnten kommen?
- Bereiten Sie sich darauf vor, in wenigen Sätzen einen Überblick über Werdegang und Erfahrungen zu geben.
Es tut nicht weh, sich diese Sachen sogar aufzuschreiben. Machen Sie sich ruhig ein paar Notizen. Ich garantiere Ihnen: Ein Telefonat, in denen Sie ein paar deftige Verstärker landen, kann die Aufmerksamkeit eines Personalmenschen nachhaltig binden.
Nr. 2: KISS Keep it short and simple
Ein Telefongespräch geht keine Ewigkeit, sondern ein paar Minuten. Wenn Sie einem Personalmenschen ein halbe Stunde abnehmen, dann wird er, egal wie gut das Gespräch war, den Hörer hinknallen und stöhnen: Puh, das ging aber lang, was deeeeer alles wissen wollte; war ja ganz nett, aber was ich noch alles zu tun habe, herrjessesnei... Und damit haben Sie sich als Vielredner geoutet und einen fetten Filter platziert. Nach wenigen Minuten mit einem begeisterten Vielen Dank, das war schon alles, ich schick Ihnen noch heute meine BeWerbung zu aufhören und noch einen schönen Tag wünschen, wirkt deutlich besser. Na, wird sich der Personalmensch sagen, die Frau is' effizient und hat Power! und gespannt auf Ihre BeWerbung warten.
Brechen Sie das Gespräch aber natürlich keinesfalls ab, wenn der Personalmensch mit Ihnen ins Reden kommt und Sie auszufragen beginnt. Dann hat der Fisch offenbar angebissen, und die Angel wird nicht aus der Hand gelegt.
Nr. 3: Nicht in der Unterhose
Sie merken immer, in welcher Form Ihr Telefonpartner ist. Achten Sie mal drauf. Sie hören viel mehr als bloss die Stimme. Sie hören am Nachklang oder den Geräuschen, wo er ist, an der Klarheit der Stimme, wie lang er schon wach ist, an der Energie, was für Kleider er an hat, an der Lautstärke, wie fit er sich fühlt, an der Geschwindigkeit, wie gestresst er ist etc. Deshalb:
Krabbeln Sie nie aus dem Bett, um sofort Recrutti anzurufen. Nie und nimmer. Das müssen Sie mir hoch und heilig versprechen. Er hört an Ihrer Stimme, dass Sie noch im Pyjama rumdümpeln. Ein professioneller Telefontrainer hat mir immer gepredigt, dass man sich anzuziehen habe, als würde man zur Arbeit gehen, am besten in Anzug und Kravatte, mit After Shave und Schminke, als würde der Telefonpartner real gegenüber sitzen. Er hat recht!
Und dann holen Sie vorher ein paar mal Luft, atmen Sie tief durch, hustense mal richtig, damit Sie nicht so knarrig tönen, machen Sie Ihre Morgengymnastik, laufen Sie ein paar mal ums Haus und schreien Sie Ihren Kanarienvogel an. Und erst dann, wenn Körper, Geist, Seele und Stimme so richtig fit sind und der arme Vogel halbtot, erst dann rufen Sie an, klaro?
Nr. 4: Üben Sie das Entrée
Wenn der Vogel noch kann, dann üben Sie weiter, damit Sie niemals ein Entrée wie das Folgende hinlegen. Weshalb, das erkennen Sie am inneren Dialog eines unwirschen Personalmenschen, den wir in unserem Hörspiel mitgeschnitten haben:
Ja, also, äh Wos is', hallo, wea is' da? Ich wollte Sie eigentlich anrufen, weil Sie wollten nicht, Sie tun's gerade weil ich hab nämlich, äh, ich wollt', äh Haben Sie nun oder wollten Sie, was stottert der denn da rum, Mann? wegen der Stelle, vielleicht Was will der Junge von mir, welche Stelle? ich würd' mich gern bewerben Tu's doch! Wieso rufste denn an? ich müsst' noch ein paar Dinge wissen Was für Dinge, nicht etwa das mit den Bienchen und Blümchen? also im Inserat schreiben Sie Jetzt liest der mir doch glatt noch mein Inserat vor?!? HWV erforderlich, ich hab' bloss an der Uni, äh Oh Gott, ein schüchterner Student usw.
Spätestens jetzt wird der Personalmensch abblocken und so was sagen wie: Also junger Mann, eins nach dem anderen. Sagen Sie mir doch erst einmal, wie Sie heissen! Verstehen Sie, warum Sie sich vorbereiten sollen? Wenn Sie so anfangen, dann können Sie sich nie mehr auffangen. Der innere Dialog des Personalmenschen geht ab, wie die Post allerdings nicht so böse wie unser Herr da oben. Don't panic! Aber wenns auch nur so ähnlich läuft, dann gute Nacht. Deshalb: Üben Sie's, notfalls mit Ihrem Hund, wenn der Vogel nicht mehr hören will. Aber üben Sie's!
Nr. 5: Störungen ausschalten
Achten Sie darauf, dass Sie während des Gespräches von niemandem und nichts gestört werden. Nichts ist peinlicher, als wenns von hinten schrill tönt: Mit wem redsch denn, Vreneli? oder wenn das Baby gerade schreiend vom Wickeltisch plumpst, der Hund Nachbars Katze zerpflückt, der Teekocher pfeift etc. Schaffen Sie Ruhe und eine professionelle Atmosphäre um sich, denn auch die geht durch den Hörer, und wie!
Nr. 6: Äussere Vorbereitung
Legen Sie für Notizen Papier, Bleistift und Agenda bereit. Wieso? Was meinen Sie, wie das hier wirkt: Moment, ich muss mir schnell was zum Schreiben holen. Und dann hört der wartende Personalmensch im Hintergrund: Raschel, raschel, kram, kram, wühl, wühl, Herrgott, wo is' denn diese verfluchte Agenda wieder, hast du wieder meine Agenda versteckt, du blöde Kuh und dann fällt Ihnen noch der Telefonhörer auf den Boden und Sie durch die Maschen. Was immer wichtig ist, aufschreiben, vor allem den richtig geschriebenen Namen Ihres Gesprächspartners inkl. Direktwahl und E-Mail-Adresse.
Nr. 7: Klare Abmachungen
Treffen Sie klare Abmachungen über das weitere Vorgehen: Wer tut wann was. Meistens endet ein erstes Informationstelefonat mit Ihrer Zusage, Ihr Dossier einzureichen oder es bleiben zu lassen.
Wenn ersteres, dann dürfen Sie ruhig fragen, bis wann Sie mit einer Antwort rechnen können, ob Sie sich wieder melden sollen oder ob Sie Bescheid kriegen. Wenn letzteres, dann fragen Sie auf jeden Fall, ob es für Ihr Profil andere Möglichkeiten in der Firma geben könnte, wer zuständig ist und ob Sie allenfalls auch einfach mal die Unterlagen schicken könnten. Zu verlieren haben Sie damit nichts aber Ihr Netzwerk ist um einen Knoten grösser geworden.
Nr. 8: No number?
Was tun, wenns keine Telefonnummer im Inserat gibt? Die Verantwortlichen sind dann meistens nicht auf Telefonate erpicht und werden sich kaum die Zeit nehmen wollen so könnte man meinen und so meinen die Meisten. Könnte schon sein, aber vielleicht hat's der Personalmensch auch einfach vergessen. Eine Chance mehr, einer von den wenigen zu sein, die doch anrufen und einen ganz dicken Verstärker landen.
Aber Vorsicht: Wenn Sie das tun, dann müssen Sie wirklich sehr gut sein! Dann müssen Sie sehr gute Gründe haben, dass es ohne Anruf nun wirklich nicht geht, und Sie sollten sehr knapp und präzise sein und bald mal wieder auflegen. Das kann umwerfend wirken.
Sie sehen: Das Telefon kann uns eine Menge Aufwand, Zeit und Warten ersparen und birgt eine Riesenchance, Ihre bestechenden Reize schon mal auszuspielen. Anrufen lohnt sich fast immer!

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